Ein Gesetz mit großer Wirkung
Das Bundesteilhabegesetz beinhaltet in seinen verschiedenen Artikeln die Änderung von Verordnungen, Vorschriften und Gesetzen über mehrere Jahre (vgl. Inhaltsübersicht BTHG). Durch die Auseinandersetzung mit Menschen mit Behinderungen und ihrer Teilhabesituation in Verbindung mit den rechtlichen Anpassungen findet eine Sensibilisierung und Bewusstseinsbildung statt.
Ausgehend von den Impulsen der UN-BRK wurde eine gesetzliche Neuausrichtung eingeleitet und damit ein Leitbildwechsel auf den Weg gebracht. Das Bundesteilhabegesetz soll zu einem modernen Teilhaberecht führen und in diesem Rahmen auch Alternativen zu WfbM stärken.
- Von der Exklusion zur Inklusion
- Vom Kostenträger zum Dienstleister
- Leistungsgewährung wie aus einer Hand
- Stärkung des Wunsch- und Wahlrechts
- Partizipatorische Bedarfsfeststellung (Verbesserung der Selbstbestimmung)
- Erleichterung oder Ermöglichung einer selbständigen und selbstbestimmten Lebensführung
- Lebenslauforientierte Bedarfsplanung
- Inklusive Sozialraumorientierung --> Sozialraumanalyse
- Inklusive Bildung
- Von der Defizit- zur Ressourcenorientierung --> Gelingensbedingungen
- Alternativen zu WfbM, Übergänge aus Sonderwelten in den ersten Arbeitsmarkt (siehe hierzu neue Leistungen zu LTA)
Trotz Reformierung der Eingliederungshilfe zu einer modernen Teilhabestruktur bleibt es insgesamt bei einem gegliederten System der koordinierten Leistungserbringung. Die Komplementarität von Privatrecht und Sozialrecht sollen eine menschengerechte Lebensverlaufsgestaltung ermöglichen.
Die große Herausforderung ist die praktische Umsetzung des rechtlichen Rahmens.
Umsetzung Artikelgesetz in mehreren Stufen
Durch Festlegung rechtlicher Rahmenbedingungen mit der UN-BRK auf internationaler Ebene wurde der erste Schritt zu mehr Chancengleichheit für Menschen mit Behinderung(en) gesetzt. Durch diese Grundlage wird den Staaten auch die Pflicht auferlegt (Artikel 27 UN-BRK) durch geeignete Schritte Menschen mit Behinderung(en) die Verwirklichung des Rechts auf Arbeit zu fördern und zu sichern. Auf dieser Basis fand und findet in weiteren Etappen die Umsetzung von internationalem Recht in nationalem Recht statt.
In insgesamt vier (Reform-)Stufen wird beispielsweise das Bundesteilhabegesetz umgesetzt.
Die Herausforderung ist die Umsetzung der rechtlichen Grundlagen in der Praxis. Die bestehenden Handlungsstrukturen und das bestehende Selbstverständnis müssen bei Trägern, Einrichtungen und Dienstleistern gleichermaßen durch das vom Paradigmenwechsel verkörperte Selbstverständnis abgelöst werden. Gerade in der Umgewöhnungsphase gibt es erhöhten Abstimmungsbedarf zwischen den Beteiligten. Am Beispiel des Budgets für Arbeit wird dieser Sachverhalt u.a. am Beantragungsverfahren deutlich. Neben verwaltungstechnischen Vorgaben für den Beantragungsprozess muss auch der Teilhabeplanungsprozess sich den neuen rechtlichen Vorgaben anpassen.
Bedeutung der Teilhabeplanung
Die Rehabilitationsträger sind dazu angehalten, „dass ein Rehabilitationsbedarf frühzeitig erkannt und auf eine Antragstellung der Leistungsberechtigten hingewirkt wird.“ (§12 Abs. 1 Satz 1 SGB IX).
Die betroffenen Menschen mit Behinderungen sind dabei in alle Verfahrensschritte einzubeziehen. Dies beinhaltet die Beratung ebenso wie die Leistungsauswahl. Die Wünsche des Menschen mit Behinderung sind zu dokumentieren. Durch den Paradigmenwechsel von Exklusion zur Inklusion steht eine personenzentrierte Förderung im Vordergrund.
Dem im SGB IX verankerten Teilhabe- und Gesamtplanverfahren kommt eine besondere Bedeutung zu (Steuerungsfunktion).
- Unabhängig von der Anzahl der leistungserbringenden Träger, ist immer nur ein Reha-Träger der sogenannte „leistende Reha-Träger“ zuständig. Folglich hat der Mensch mit Behinderungen einen Ansprechpartner.
- Der Mensch mit Behinderungen kann sich an einen Träger wenden, ohne dessen Zuständigkeit selbst zu prüfen, dies erfolgt durch den Träger selbst. Entweder ist er zuständig oder leitet innerhalb einer festgelegten Frist (2 Wochen) den Antrag an einen weiteren Träger weiter. Dieser wäre dann leistender Träger.
- Ein Teilhabeplanverfahren ist nur zu erstellen, wenn mehrere Leistungsgruppen oder Leistungen verschiedener Träger erforderlich sind. Ein Gesamtplanverfahren in der Eingliederungshilfe muss hingegen immer erstellt werden.
- Ist der Eingliederungshilfeträger für die Durchführung des Teilhabeplanverfahrens verantwortlich, gelten für ihn die Vorgaben des Gesamtplanverfahrens ergänzend.
Das Verfahren sieht eine Leistungsgewährung aus einer Hand vor (vgl. §4 Abs. 2 Satz 2 SGB IX). Darüber hinaus werden konkrete Vorgaben gemacht, welche Inhalte in den jeweiligen Planungen (mindestens) dokumentiert werden müssen (vgl. §19 Absatz 2 SGB IX für die Teilhabeplanung und §121 Absatz 4 SGB IX für das Gesamtplanverfahren). Für das Gesamtplanverfahren werden darüber hinaus klare Kriterien zur Durchführung aufgeführt (§117 Abs. 1 Satz 3 SGB IX):
- transparent,
- trägerübergreifend,
- interdisziplinär,
- konsensorientiert,
- individuell,
- lebensweltbezogen,
- sozialraumorientiert und
- zielorientiert.
Bei der Auswahl der Leistungen kann der Mensch mit Behinderungen sein Wunsch und Wahlrecht gelten machen. Der Aspekt des Budgets für Arbeit kann folglich von der betroffenen Person selbst thematisch eingebracht werden. Sie hat durch die Mitwirkung Einfluss auf den Prozess. Das Wunsch- und Wahlrecht hat aber auch Grenzen. Es muss bezogen auf den Einzelfall angemessen sein (§104 Abs 2 SGB IX). Allerdings dürfen bei der Bewertung der Angemessenheit nicht nur ökonomische oder pragmatische Gesichtspunkte herangezogen werden. Weicht eine Leistung vom Wunsch der betroffenen Person ab, so muss diese bzgl. ihrer Zumutbarkeit geprüft werden, wobei persönliche soziale und sozialräumliche Faktoren berücksichtigt werden müssen ((§104 Abs 3 SGB IX). Einzelfallorientierung, die Grenzen des Wunsch- und Wahlrechts und Zumutbarkeit bei Abweichung müssen entsprechend gleichermaßen betrachtet werden.
Um für sich den Teilhabeplan besser verfolgen zu können, kann der/die Betroffene Einsicht oder auch eine Kopie des Teilhabeplans vom leistungserbringenden Reha-Träger verlangen (§19 Abs. 3 Satz 3 SGB IX).
Eine lebenslauforientierte Bedarfsermittlung und -feststellung unter (aktiver) Einbeziehung der Menschen mit Behinderungen bedarf einer vorausschauenden und koordinierenden Planung und Umsetzung. Auf Veränderungen muss angemessen reagiert werden, was eine Anpassung des Teilhabeplans zur Folge haben kann (§19 Abs. 3 S.1 SGB IX). Die Prognose muss stets beobachtet und überprüft werden. Maßnahmen müssen bei Bedarf angepasst werden, d.h. ein eingeschlagener Weg muss nicht zwangsläufig weiterverfolgt werden, wenn er sich als nicht zielführend herausstellt.
Bei der Steuerung und Begleitung des Gesamtprozesses ist eine funktionierende Kommunikation zwischen Leistungsberechtigtem und Träger sowie den Trägern untereinander unerlässlich. Zeitintensive Zuständigkeitskonflikte der Träger untereinander zulasten der Menschen mit Behinderungen sollen vermieden werden. Ein funktionierendes Netzwerk bildet die Basis für ein gelungenes Teilhabe- / Gesamtplanverfahren. Die Rolle der Menschen mit Behinderungen wird darüber hinaus durch eine ergänzende unabhängige Teilhabeberatung (EUTB) gestärkt, bei der sie sich beraten lassen können. Vor diesem Hintergrund gehören Netzwerke und Kommunikation auch zu den Gelingensfaktoren für ein Budget für Arbeit. Erfahren Sie mehr im Abschnitt Gelingensbedingungen.
Hier geht es zur Ausformung des Bundesteilhabegesetzes im SGB IX