Die Machbarkeitsstudie kurz gefasst
Die Machbarkeitsstudie ist der Wirkungsprognose nach Artikel 25 Absatz 2 BTHG vorangestellt und soll klären, welche konkreten Fragen die Hauptuntersuchung beantworten soll und mit welchen Indikatoren der Erfolg einzelner Regelungen des Gesetzes gemessen werden kann. Die Wirkungsprognose selbst soll prüfen, inwieweit die Ziele des BTHG erfüllt werden. Wie werden einzelne Regelungen in der Praxis umgesetzt und welche Auswirkungen auf die Teilhabe von Menschen mit Behinderungen sind zu erwarten. Soweit möglich sollen auch bundeslandspezifische Übereinstimmungen und Unterschiede identifiziert werden.
Die Studie wurde von infas in Zusammenarbeit mit dem Institut für Sozialforschung und Gesellschaftspolitik GmbH (ISG) durchgeführt.
Die Machbarkeitsstudie und das Budget für Arbeit
Die Machbarkeitsstudie greift das Budget für Arbeit als konkrete Leistung im Zusammenhang mit der Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderung in verschiedenen Kontexten auf. Übergeordnet ist das Leitziel des SGB IX (§ 1 SGB IX): Soziale Teilhabe und Inklusion von Menschen mit Behinderungen verwirklichen. An diesem Ziel muss sich auch die Leistung des Budgets für Arbeit messen lassen.
In diesem Zusammenhang werden im Evaluationsdesign folgende Leitfragen formuliert. Die Antworten hierauf gibt die Wirkungsprognose.
Für die Budgetnehmenden wird im Vergleich zu einer WfbM die bessere Vergütung, selbstständigeres Arbeiten und eine größere Verantwortung vorteilhaft gesehen. Auch wird eine größere Autonomie und ein höheres Selbstwertgefühl betont. Die Tätigkeiten selbst werden als abwechslungsreicher, interessanter und anspruchsvoller wahrgenommen. Die strukturierte Arbeitsweise wird ebenfalls positiv gesehen. Allerdings seien auf dem freien Markt auch die Arbeitszeiten länger und die Pausen kürzer sowie die Arbeitsleistung höher.
Ja, weil ohne diese Fördermöglichkeiten Arbeitgeber weniger Menschen mit Behinderungen einstellen würden und ein Großteil derer die das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen ohne dieses Angebot in einer WfbM arbeiten würden. Mit dem Budget für Arbeit selbst und mit der Unterstützung im Betrieb sind 90% der Budgetnehmenden zufrieden. Und auch ca. 90% der befragten Arbeitgeber planen auch in Zukunft Beschäftigungsverhältnisse mit dem Budget für Arbeit anzubieten.
Ja. Die Tätigkeiten werden als anspruchsvoller und abwechslungsreicher als in einer WfbM gesehen. Und durch die höhere Verantwortung steigt das Selbstwertgefühl. Vereinzelt wird auch mehr Ruhe am Arbeitsplatz und weniger „Schikanen“ als in einer WfbM wahrgenommen. Allerdings gibt es auch vereinzelt Unzufriedenheit mit der Unterstützung und dem Umgang im Betrieb der Budgetnehmenden, insbesondere wenn Vorgesetzte abwesend sind.
Ergänzt werden diese Kernfragen um weitere Detailfragen, die für eine differenziertere Abklärung sorgen sollen:
Die Mehrzahl der befragten Träger sieht das Budget für Arbeit grundsätzlich als ein geeignetes Instrument zur Stärkung der Teilhabe am Arbeitsleben an. Durch enge Zusammenarbeit mit Leistungsanbietern (z.B. WfbM) werden Einrichtungen und Betriebe begleitet und beraten. Integrationsfachdienste und Integrationsberater*innen wirken zusammen. Durch Praktika und/oder ausgelagerte Arbeitsplätze werden potentielle Budgetnehmende vorbereitet. In wenigen Fällen wird sogar bereits in der Schulzeit eine umfassende Potentialanalyse, Berufsfelderkundungen und betriebliche Praktika angeboten. Eine Zielvereinbarung oder Prämienzahlungen für erfolgreiche Vermittlungen wirken sich ebenfalls positiv aus. Die Bemühungen der Träger sind in den Bundesländern nicht einheitlich, weshalb Umfang und Form der Unterstützung variieren. Hinzu kommt, dass in wenigen Bundesländern wie Baden-Württemberg auch die Arbeitslosenversicherung berücksichtigt wird.
Überwiegend positiv. Ca. 90% sind mit dem Budget für Arbeit zufrieden.
Die Akzeptanz und damit die Unterstützung des Budgets für Arbeit ist in der Summe gut. Allerdings gibt es Unterschiede zwischen der Einschätzung von Leistungsträger, Leistungserbringer, Leistungsnehmer und Betrieben. Dabei werden teilweise ähnliche Punkte im Bereich der kritischen Äußerungen wie bei den positiven Äußerungen angeführt. Befürworter betonen den inklusiven Grundgedanken, der in der Praxis gelebt wird. Durch das Budget für Arbeit sei es zudem einigen Unternehmen erst möglich Menschen mit Behinderung einzustellen. Für die Budgetnehmenden ist auch die betriebliche Struktur vorteilhaft (höhere Selbstständigkeit, höheres Selbstwertgefühl, Abwechslungsreichtum etc.).
Kritiker bemängeln, dass Werkstätten nicht daran interessiert seien, dass Werkstattbeschäftigte in andere Leistungsformen wechseln und sie so Mitarbeiterinnen verlieren. Hinzukommt, dass manche Werkstattbeschäftigten ihr geschütztes Umfeld nicht verlassen wollen. Manche befragten Personen weisen auch auf Informationsdefizite hin. Für Arbeitgeber sei die größte Herausforderung die verringerte Leistungsfähigkeit, die sich in geringer Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit sowie Lern-, Merk- und Problemlösefähigkeit zeigt. Teilweise sei kein selbstständiges Arbeiten möglich. Hinzu kämen dann noch Kommunikationsdefizite und mangelnde Akzeptanz der Hierarchien im Betrieb. Die Bemängelung der fehlenden Arbeitslosenversicherung trifft nicht auf alle Bundesländer zu, ebenso wenig wie eine enge Betreuung. Und auch der Aspekt der geringeren Leistungsfähigkeit greift nur bedingt, weil hierfür ja der Lohnkostenzuschuss gedacht ist. Und durch Best Practice Beispiele wird auch deutlich, dass mit einer angemessenen Anleitung und Begleitung viel gewonnen ist.
Verbesserungsbedarf wird in transparenteren und schnelleren Genehmigungsprozessen gesehen. Insbesondere gewinnorientierte Arbeitgeber weisen auch auf höhere Lohnkostenzuschüsse hin, welche am besten regelmäßig analog zur Tarifsteigerung angepasst werden sollten. Eine durchgehende Begleitung/Coaching wäre ebenfalls wünschenswert.
Menschen mit Behinderungen, die ihren Rentenanspruch in einer WfbM fast vollständig erreicht haben oder eine Erwerbsminderungsrente beziehen, würde eher nicht das Budget für Arbeit nutzen. Dies erklärt auch, warum vermutlich mehr Personen unter 40 Jahren das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen als ältere. Zumal teilweise eine Schlechterstellung von Budgetnehmenden im Vergleich zu Werkstattbeschäftigten gesehen wird. Ob und in welcher Weise das tatsächlich so ist, muss individuelle geklärt werden. Angewandtes Halbwissen kann hier mehr schaden als nützen. Beispielsweise können Budgetnehmende, die zum Zeitpunkt des Wechsels ins Budget für Arbeit bereits eine Erwerbsminderungsrente beziehen, diese weiter beziehen. Entscheiden ist folglich in welchem Lebensabschnitt eine Person sich befindet und wie sehr sie auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt tätig sein möchte.
Wenn eine Person aus dem Budget für Arbeit in eine nicht mehr gefördertes Maßnahme wechselt, hat sie den Vorteil, dass Kolleg*innen und der Mensch mit Behinderungen selbst bereits auf die individuelle Situation sensibilisiert sind und mögliche Hilfemittel ggf. Bereits im Unternehmen existieren. Durch die Zusammenarbeit von Menschen mit und ohne Behinderungen konnte die Personen voneinander lernen. Hierdurch konnte eine Verbesserung des Betriebsklimas erzielt, ein Abbau von Hemmschwellen und Berührungsängsten abgebaut werden sowie gelebte Inklusion und Diversität hervorgehoben werden. Allerdings ist bei dem Wechsel anzumerken, dass manchen Unternehmen eine Beschäftigung von Menschen mit Behinderungen nur möglich ist, weil sie gefördert wird (z.B. durch das BfA). Hinzu kommt, dass eine große Herausforderung bei den Budgetnehmenden besteht: mangelnde Sozialkompetenz, eingeschränkte Kommunikationsmöglichkeiten, Ausdauer und Konzentrationsfähigkeit sowie Lern-, Merk- und Problemlösefähigkeit.
Die Nutzung des Budgets für Arbeit hat sich nach Aussagen vieler Befragter (2021) auf einem konstanten Niveau eingependelt. In einer früheren Befragung (2018) haben knapp die Hälft noch eine einen leichten Anstieg wahrgenommen
Die Beantwortung dieser Fragen kann mit Blick auf die Teilhabe am Arbeitsleben von Menschen mit Behinderungen aufzeigen, wo es neben den bisherigen Erkenntnissen noch Hemmnisse gibt und welche Gelingensfaktoren ggf. noch nicht näher betrachtet wurden.
Ergebnisse der Machbarkeitsstudie in Verbindung mit dem Budget für Arbeit
Die Fragestellungen aus der Machbarkeitsstudie werden im weiteren Verlauf durch die Ergebnisse der Wirkungsprognose beantwortet. In diesem Rahmen wird beispielsweise das Budget für Arbeit von den Befragten Akteuren insgesamt positiv bewertet. Es wird überwiegend als geeignet und wirksam zur Förderung der Teilhabe am Arbeitsleben bewertet. Das Budget für Arbeit ist folglich eine geeignete Erweiterung des bisherigen Leistungsangebots, zumal es von Trägern, die damit bereits langjährige Erfahrungen haben, als nachhaltig bewertet wird. Negativ wird allerdings die fehlende Verbindung mit der Arbeitslosenversicherung gesehen. In diesem Zusammenhang schließt sich auch eine weitere Kritik an, dass das Budget für Arbeit nur für bestimmte Personengruppen infrage kommen würde und vielmehr Leistungen der Bundesagentur für Arbeit genutzt werden sollten.
Entgegen den Erwartungen wurde das Budget für Arbeit aber deutlich seltener in Anspruch genommen, wodurch die erwarteten Kosten entsprechend unterschritten wurden.
Die nachfolgend zusammenfassenden Darstellungen zu Branchen, positiven wie negativen Effekten können sich regional unterschiedlich darstellen. Beispielsweise kann in Baden-Württemberg eine Anbindung an die Arbeitslosenversicherung erfolgen.
Typische Branchen in denen das Budget für Arbeit zum Einsatz kommt:
- Gastgewerbe,
- Handel,
- Lager- und Logistik,
- Verarbeitendes Gewerbe,
- Landwirtschaft und
- Öffentliche Verwaltung.
Gewinnbringende Effekte zum Budget für Arbeit:
- Stärkung der beruflichen Teilhabe für die Budgetnehmenden,
- Erleichterung der Inklusion in Betrieben durch Lohnkostenzuschuss,
- Erleichterung der Inklusion in Betrieben durch Begleitung der Budgetnehmenden,
- Gesamtgesellschaftlich werden das Normalisierungsprinzip und das gemeinsame Handeln gestärkt,
- Ohne Unterstützungsleistungen wie dem Budget für Arbeit ist es manchen Arbeitgebern nicht möglich entsprechende Arbeitsplätze zu ermöglichen.
Hemmende Effekte zum Budget für Arbeit:
- Bereitschaft der WfbM Beschäftigte in andere Leistungsangebote wechseln zu lassen,
- Bereitschaft und Motivation potentieller Budgetnehmer*innen das geschützte Umfeld (WfbM) zu verlassen und sich anderen ggf. höheren Leistungsanforderungen zu stellen,
- Bereitschaft von Arbeitgebern Budgetnehmende zu beschäftigen,
- Fehlende Anbindung an die Arbeitslosenversicherung.
Bisherige Beobachtungen haben zudem ergeben, dass mehr Männer als Frauen das Budget für Arbeit in Anspruch nehmen. Als Erklärung werden verschiedene Gründe angeführt, wie beispielsweise „männerdominierte“ Arbeitsbereiche oder das Gefühl von Sicherheit in der WfbM. Der Aspekt der Sicherheit spiele zudem eine Rolle, wenn es um das Alter der Budgetnehmenden gehe. Das Budget für Arbeit würde vorwiegend von Personen unter 40 Jahren genutzt. Als Erklärung werden Unsicherheiten in Bezug auf Rentenansprüche angeführt, insbesondere Erwerbsminderungsrente. Vor dem Hintergrund, dass das Wissen zum Budget für Arbeit noch nicht in allen Bereichen (Arbeitgeber, Sachbearbeitern, etc.) und mit allen Details bekannt sei, bleibt die Frage, wie sich die Situation darstellt, wenn dieser Sachverhalt optimiert sei? Entsprechend ist nachvollziehbar, dass das Vorhaben der Wirkungsprognose bis 2024 verlängert wurde, um weitere Erkenntnisse vor dem Hintergrund stattfindender Sensibilisierung und Optimierung der Rahmenbedingungen für das Budget für Arbeit zu erhalten.